Projekt 1: Werkstatt Zukunft
22.09.23 – 09.10.23
Die deutsch-niederländische Künstler*innengruppe Gruma mit Anita Boerrigter, Viktoria Gudnadottir, José Anna Maria Verstappen, Ricardo Liong-A-Kong sowie Mechthild Wendt, Margit Rusert und Birgit Kannengießer hat individuelle Positionen zum Thema Zukunft in einer Ausstellung zusammen geführt. Fünf Tage lang wurde gemeinsam diskutiert, überlegt und weitergearbeitet. Passanten und Galeriebesucher*innen sind eingeladen, ihre Wünsche für die Zukunft aufzuschreiben und zu einem Teil der Ausstellung werden zu lassen.
In der Ausstellung ist eine Leseecke zum Thema Zukunft eingerichtet. Interessierte Besucher haben dort die Möglichkeit in entspannter Atmosphäre eine Lektüre zum Thema Zukunft auszusuchen und in der Ausstellung darin zu lesen.
Lesung in der skulptur-galerie am 07.10. 2023
„Ein Mann rast im Sportwagen durch Manhattan, vom Washington Square aus die Fifth Avenue herauf in Richtung Midtown. Es ist taghell, aber die Straßen sind leer. Geparkte Autos am Straßenrand, sonst niemand auf der Straße.[…] Was einst ein Hexenkessel von Menschenmassen, Werbung und Verkehrschaos war, ist nun zugewachten und überflutet von warmem, ruhigem Sonnenlicht. Es herrscht vollkommene Stille“
Mit diesem Vorspann aus dem Film „I am Legend“ beginnt Eva Horn ihr Buch Zukunft als Katastrophe. Der letzte Überlebende (im Film Will Smith) erlebt die von Menschen entvölkerte Welt als ein Ort der Ruhe nach der Katastrophe. Umgeben von einer Natur, die nun zurückkehren kann, da die Welt von den Zumutungen der menschlichen Zivilisation entlastet ist. Eva Horn untersucht in ihrem Buch katastrophische Zukunftsszenarien und stellt Fragen: was sagen diese über uns und unsere Kultur aus? Ihre Fragestellungen und Antworten dazu sind so interessant, dass sie uns inspiriert haben. Wir haben uns entschieden, als Abschluss unserer Ausstellung „Werkstatt Zukunft“ ausgewählte Textstellen aus dystopischer Zukunftsliteratur der letzten 200 Jahre zu lesen. Interessenten waren eingeladen und auch die Passanten vor der Galerie konnten die Lesung mit verfolgen. Als Klammer für diese Lesung haben wir zwei Textstellen aus dem Buch von Eva Horn „Zukunft als Katastrophe“ gewählt. Denn, natürlich stellt sich die Frage: Die Welt nach der Auslöschung des Menschen als die Rückkehr zum Paradies zu sehen – und das aus der Perspektive der dann vom Erdboden verschwundenen Spezies – wie konnte es so weit kommen? Antworten finden wir durchaus in den Veränderungen der Literatur, die sich mit dystopischen Szenarien befasst. Die in der Romantik noch für die Auslöschung der Menschen einzig vorstellbare Naturkatastrophe ist spätestens seit der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg erweitert worden durch menschengemachte Katastrophen. Damals hat die Vorstellung einer „Bombe“, die das Potenzial hat, Zivilisation, Menschen und die Welt – wie wir sie kennen – auszulöschen, tausende in Großdemonstrationen auf die Straße getrieben. Heute ist das Zerstörungspotenzial nicht weniger geworden, aber wir haben uns offensichtlich daran gewöhnt. An Stelle der „Bombe“ sind andere Szenarien getreten: die Auslöschung unserer Zivilisation, die mit der Auslöschung der Natur z. B. durch Artensterben (Die Geschichte der Bienen, von Maja Lunde) oder Klimakatastrophen (Film: The Day After Tomorrow) einhergeht.
Eva Horn zitiert dazu in ihrem Buch Walter Benjamin:
„Der Begriff des Fortschritts ist in der Idee der Katastrophe zu fundieren. Dass es >so weiter geht< ist die Katastrophe. [..]“
Gelesen haben Mechthild Wendt, Margit Rusert, Ricardo Liong-A-Kong.