Rede von Dieter Krüger
zur Eröffnung der Ausstellung


Selection



Sehr geehrter Herr Richter,

lieber Herr Simon,

meine Damen und Herren

Selection – Arbeiten mit Printmedien –

Selection ist die zielgerichtete Auslese

aus einem bestimmten Bereich im Sinne von auswählen unter sehr

spezifischen Kriterien, die nämlich in diesem speziellen Fall – den Arbeiten

mit Printmedien – extrem individuell sind.

Hans Jürgen Simon hat einen reichen Fundus von Printmedien zur

Verfügung – er kann auf eine reichhaltige Medienpalette zurückgreifen.

Er wählt aus, denn längst nicht jedes Medium eignet sich für die
Verfremdung. Seine einfache aber geniale Idee ist, den Medien die Bedeutung zu

entziehen! Dies scheint absurd, ist aber Grundlage seiner schöpferischen Idee.

Damit ist das Medium eigentlich nutzlos geworden.

Es funktioniert nicht mehr im Sinne von gelesener mehr oder weniger

wichtiger Kommunikation. Keine Botschaft – ob wichtig, banal oder

überflüssig – erreicht mehr den Leser, denn es gilt nichts mehr.

Die Zusammenhänge sind zerstört.

Sie sind aber wesentliche Grundlage unseres Verständnisses.

Hans Jürgen Simon bietet uns eine – Carte blanche -,

Reflexionsfläche für unsere eigenen Gedanken, angeregt durch

das Spiel der entwurzelten Informationen.

Aber nichts gleicht mehr dem, was wir wissen.

Damit ist die Ebene die wir kennen zerstört.

Zusammenhänge werden aufgelöst, Vertrautes wird entwurzelt,

gelernte Kombinationen werden widersprechend, abwegig und sinnlos.

Aber es gibt natürlich etwas zu entdecken, eine Eigenschaft,

die wir verlernt haben. Denn wir wollen alles perfekt und einfach

präsentiert haben, bis ins kleinste selektiert und wohl aufbereitet.

Und die Medien machen das mit, sie müssen sich ja schließlich

im Markt behaupten, sich profilieren, unterscheidbarmachen.

Vom Hochglanzmagazin, über Zeitschriften und Tageszeitung

reicht noch das breitgefächerte Angebot.

Meine Überzeugung ist, dass sich dies fundamental ändern wird, denn

Digitalisierung ist das Zauberwort. Doch noch existiert dieser überaus

reichhaltige, facettenreiche Fundus an Gedrucktem, aus dem Hans Jürgen

Simon schöpfen kann. Und was macht er daraus. Unlesbares,

Unverständliches, unseren Gedanken Entzogenes.

Dies sind wir in der aufbereiteten Welt der Ideen und Gedanken

einfach nicht mehr gewohnt.

Einladung
zur Eröffnung der Ausstellung

Selection

Freitag, 07. September 2018 19.00 Uhr

Öffnungszeiten:

Donnerstag, Freitag, Montag
15.00 bis 19.00 Uhr

Samstag und Sonntag
11.00 bis 16.00 Uhr

Dauer der Ausstellung:
Bis zum 10. November 2018

Vita

Hans-Jürgen Simon

Arbeiten mit Printmedien

1940 geboren in Lauban.
1954 -1990 Malerlehre, Meisterprüfung, Fachschule, selbständig in Stuttgart.
Seit 1991 ausschließliches Arbeiten mit Printmedien im Atelier Georgsmarienhütte-Osnabrück.
Zeitungen und Zeitschriften decken unseren täglichen Bedarf an Vergänglichkeit.
Die Auflösung des einen ist die Entdeckung eines Anderen.
Hans-Jürgen Simon gelingen durch Entzauberung der Zusammenhänge
sehr persönliche, phantasievolle Sichtweisen.
Der Betrachter sollte den Mut haben, sich darauf einzulassen.

Hans Jürgen Simon interessiert die Funktionalität der Medien nicht,

er löst sie auf, indem er sie auf ihre Materialität eindampft.

Was vorher noch bedeutend, klug, wissend geschrieben daherkam,

ist jetzt reduziert auf farbenprächtige oder farbreduzierte Bildwirkung,

perfekt arrangiert, mit dem sensiblen Gespür für Placierung.

Und jetzt ist der Betrachter gefragt, der sich befreien muss

von seinem gedachten Anspruch auf Information.

Nichts ist mehr so wir wir es gelernt haben,

wie wir es täglich noch als Informationsquelle mit Anspruch kennen

und nutzen! Man könnte ihm das übel nehmen, endstünden nicht

Reflexionsflächen die die eindeutigen Parameter der Deutung

total verschieben. Einfach Pech gehabt!

Hans Jürgen Simon seziert die Medien, fügt sie nach seinem

künstlerischen Anspruch. Dies ist genial und überaus spannend

und überraschend.

Und das arrangiert er über die langen Jahre – es sind fast 20 Jahre die wir

uns kennen – immer wieder ungewohnt creativ.

Er fügt die Wochenzeitung Zeit zum Beispiel zu fantastischen

Arrangements, seziert die Seiten, so entwickelt sich aus den

einzelnen Komponenten ein ästhetisches, geschmackvolles

neues Ganzes ohne inhaltlichen Bezug. Es ist einfach da –

und jetzt ist der Betrachter gefragt, der sich seinen Reim

darauf machen soll. Das ist schwierig!

Er schreckt nicht davor zurück die gesamte Zeitung als Inspiration

seiner Collagen zu nehmen, er fügt einzelne Blätter neu zusammen,

unlesbar aber von hoher neuer ungelernter Ästhetik.

Er weiß, was er tut – es entsteht was entsteht – und er kann

beurteilen was bleibt. So schafft er von Vergilbung geprägte Werke

und interpretiert Zeitung völlig neu, als bleibende, nicht entschlüsselte

Ressource von Information.

Er ist schon ein wahrer Perfektionist bezogen auf Zeitungen.

Doch noch überragender ist seine Verfremdung von Magazinen,

jene bunten Wochen- und Monatsprints, die uns stets von

Ereignissen berichten, die wir eigentlich nicht konsumieren müssten.

Hier steht Hans Jürgen Simon eine schier unglaublich

facettenreiche Farbpalette zur Verfügung, die er gnadenlos ausnutzt

im Sinne seiner unbändigen Kreativität.

Jetzt entsteht, was entsteht. Er verwirklicht seine kreativen Gedanken,

er formt sie, er faltet sie, er fixiert sie und fügt sie zu einem großen

Ganzen zusammen. Das setzt seine Suche nach passender Farbigkeit

voraus die er so fügt, das etwas Einmaliges, sich völlig Neues entwickelt,

dessen Bedeutung er dem Betrachter überlässt.

Inhaltliche Zusammenhänge zerstört er und faltet und fixiert

seine Deutung stets neu. So entstehen Papierbalken von großer

Farbigkeit, die an einander gereiht einen farbfrischen, frohen

Struktur— und Farbklang ergeben, der ausschließlich ästhetischen

Kriterien folgt. So entstehen hochfarbige Balken – jeder für

sich ein Ereignis – und in der Reihung von mehreren immer

wieder andersartig gefügten und farbig changierenden unterschiedlich

wirkenden Farbvarianten entfacht Hans Jürgen Simon

eine spannende Farbpalette ungewohnter, frech komponierter,

frei zu assoziierender Komplexität.

Er macht es dem Betrachter nicht einfach. Er fordert ihn heraus,

er nimmt ihn ernst und er bietet ihm die individuelle Reflexionsfläche.

Das ist perfekt. Darüber hinaus sind großformatige Medienkissen

aus den unterschiedlichsten farb- und materialimmanenten Medienprofilen

entstanden, die wieder eine völlig andere eigenständige Ausstrahlung haben.

Hier wirken Farbfelder miteinander, ergänzen sich, verstärken sich,

und das alles in einem feinen Kanon abgestimmter Farbwerte.

Seine Recherche nach passenden Nuancen ist stets erfolgreich.

Sensibel geht er vor und so entstehen fein gefügte, nuancierte

und kreative Farbvisionen. Seine Kreativität kennt da keine Grenzen

und das Erstaunliche ist, er vergreift sich nie.

Ich könnte jetzt noch auf die vielen Nuancen eingehen, die sich aus

den unterschiedlichen Variationen seiner Begabung ergeben.

Das verkneife ich mir. Vergessen möchte ich auf keinen Fall seine

neue, spektakuläre Idee. Eine Weiterentwicklung seiner

künstlerischen Fähigkeiten.

Eigentlich ganz einfach und gerade deshalb so genial.

Er vergräbt seine Arbeiten, führt sie zurück in den Zustand

ihrer Entwicklung, markiert die einzelnen Vergrabungen und

befreit sie nach unterschiedlichen Zeitenräumen aus der Situation.

Er bearbeitet und fixiert das Resultat: das Ergebnis sind gewachsene

Collagen von hoher Ästhetik. Es ist eine schöne Idee, Materialien,

die aus der Natur kommen und durch unsere Kulturtechniken für den

Menschen nutzbar wurden, zu neuem Leben

zu erwecken. Bitte überzeugen Sie sich selbst.

Hier, in den Räumen der Skulptur Galerie gibt Hans Jürgen Simon

nur einen kleinen Überblick über sein facettenreiches

künstlerisches Schaffen.

Deshalb steht er Ihnen gern zur Verfügung im Hause MÖLK Pressegrosso

in der Berghoffstraße 11.

Die Öffnungszeiten entnehmen Sie bitte dem Plakat.

Meine Damen und Herren,

ich habe mich kurz gefasst, hätte Ihnen

sicher noch viel mehr über die Werke erzählen können.

Jetzt bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit

und wünsche Ihnen Zeit für ihre Betrachtungen.

Dank für große Unterstützung: